2020 – Zwölf Apostel Grat
Links der Fernpassstraße kurz vor Reutte erhebt sich der Säuling. Während sich die Massen auf dem Normalweg den Ausblick auf die Königsschlösser und die Rückseite der Tannheimer erarbeiten, erwartet die Unerschrockenen eine etwas einsamerere Tour: der Zwölf-Apostel-Grat.
Am Freitagabend trafen sich sechs unerschrockene, aber nur mäßig bibelfeste Powders auf dem Campingplatz in Reutte. Hier ist auch während der Corona-Krise, alle sehr entspannt: Einchecken? ‘Mach mr morgen’. Maske? ‘Braucht’r ned’. Einziges Manko: Die Musik auf dem Klohäuschen. Nach einer kurzen Stärkung vom Grill verteilten sich die Powders schnell auf einige Autos und Zelte.
Am Samstagmorgen, ging es – fast pünktlich – zum Parkplatz des Säulinghauses. Da es noch morgendlich frisch war und wir einen weiten Weg vor uns hatten, heizten wir uns ordentlich ein und bewältigten das Strava-Segment ‘Parkplatz Pflach – Säulinghaus’ in 1:20:48. Ordentlich durchgeschwitzt ging es durch eine Rodungsfläche weiter zur Österreichisch-Bayerischen Grenze und hinauf auf den Pilgerschrofen.
Die letzten Höhenmeter im ausgesetzten Schrofengelände mit 5 Metern Fels-Kraxelei gaben schon einmal einen Vorgeschmack auf das folgende Schmankerl. Zunächst gönnten wir uns aber noch ein paar Nüsschen und Riegel und genossen die einmalige Aussicht auf Alp und Forggensee. Der Grat entpuppte sich als abwechslungsreiche Mischung aus kurzen Kraxeleien und Gehpassagen mit Tiefblick. Die erste Abseilstelle wurde dank klasse Beta von Johannes abgeklettert.
An der zweiten Abseilstelle musste dann doch das Seil ausgepackt werden. Wieder einmal zeigte sich jedoch, dass der durchschnittliche Powder mehr Zeit mit Gear shoppen verbringt, als dieses zu benutzen. So war der letzte auf dem Fels gebliebene Powder, trotz mitgeführter Bedienungsanleitung, nicht in der Lage seinen Megajul Sport in die Abseilstellung zu bringen.
Während sich die unten Wartenden restlichen Powders schon auf eine Vorführung des Dülfersitzes durch den Power-Party-Veteranen freuten, wurde doch kurzer Hand ein Tube nach oben befördert, so dass wir unseren Weg gemeinsam und ohne durchgeschmorte Hose fortführen konnte. Nach einer kurzen unangenehmen Passage durch losen Schutt ging es über einen letzten unschwierigen Anstieg hinauf zur Säulingwiese. Von hier aus ließen sich die Tourimassen auf dem Gipfel und zwei Kletterer in der Westwand beobachten.
Nach einer kurzen Überlegung, ob es auf der Wiese nicht schöner sei, holten wir uns doch noch den Gipfel und stiegen hinab zum Säulinghaus, wo wir uns mit einer ersten Runde Kaltgetränke belohnten. Kurz vor dem Parkplatz gab es eine weitere Runde erfrischendes Bier aus dem Bus und für einige besonders kälteresistente Powders eine Abkühlung im Instagram-tauglichen Gumpen – natürlich ‘without’.
Auf dem Campingplatz wurden wir von drei weiteren Powders verstärkt, die sich die gleiche Tour für den Sonntag vorgenommen hatten. Der restliche Abend verlief unspektakulär mit Bier und Pizza.
Für den Sonntag hatten wir uns eine gemütliche Tour aus einem ‘Stille Wege’-Buch ausgepickt. Während wir auf den ersten zwei Kilometern 600 Höhenmeter zurücklegten und wir auch einigen anderen Wandern begegneten, wurde uns die Doppeldeutigkeit von stillen Wegen bewusst.
Dieser Weg war nicht still, weil wenig begangen, sondern weil steil und keine Luft zum Quatschen mehr übrig blieb. So erreichten wir schweigend den ersten Gipfel, der durch mediterranes Ambiente und Klima glänzte. Ein Gipfel weiter – auf dem Tauern – genossen wir unsere Gipfelbiere und die fantastische Rundumsicht auf Zugspitze, Thaneller, Gimpel und Säuling. Leider mussten wir uns den Gipfel mit hunderten von Insekten aller Arten teilen, so dass wir bald den Rückzug antraten.
Der Rückweg war ebenso steil wie der Aufstieg, was zu unterschiedlichen Graden von Schmerzen bei den Beteiligten führte. Als wir am frühen Nachmittag zu unseren Autos zurückkamen, mussten wir uns eingestehen, dass unsere gemütliche Ausgehtour durch einen falschen Abzweig doch zu einer zünftigen Tour eskaliert war. Dementsprechend freuten wir uns über unseren anstehenden Muskelkater, der uns noch die ganze kommende Woche an das fantastische Wochenende erinnern wird.