Mont Blanc – 2.0
Nachdem uns im letzten Jahr das schlechte Wetter einen Strich durch die Mont Blanc Besteigung gemacht hat, versuchten wir, Julian, Marc und Nico es dieses Jahr erneut. Dabei haben wir uns ein besonderes Juwel an Tour herausgesucht: Wir haben versucht eine anspruchsvolle Route mit möglichst wenig Kontaktpunkten zu den Normalwegen zu gehen. Im letzten Jahr stand die Überschreitung über Mont Blanc du Tacul und Mont Maudit an. Dieses Jahr wollten wir die lange und kaum begangene Grattour über die Dômes de Miages und die Aiguille de Bionnassay mit kombinierten Kletterpassagen auf den höchsten Berg der Alpen meistern.
Am Freitag den 02.08. ging es aus dem heißen Karlsruhe nach Chamonix, wo wir die erste Nacht in der Gite le Belvedere verbrachten um am nächsten Tag ausgeruht starten zu können.
Da wir planten den Berg per Zahnradbahn zu verlassen, wollten wir das Auto an einer der Haltestellen parken. Per Anhalter oder Bus sollte es in den Ort in dem die Route startet weitergehen. Nico und ich waren sehr skeptisch was die Anhalteridee anging, allerdings belehrte Julian uns eines Besseren und hatte uns innerhalb von 3 Minuten eine Mitfahrgelegenheit organisiert. Als wir am Einstieg der Route angekommen waren (1170 Meter), ging es recht zügig aufwärts und nach 1,5 Stunden erreichten wir schon die erste Hütte (1974 Meter), in der wir aber keine Nacht verbrachten. Kurz hinter dieser Hütte begann dann auch der Gletscher, den wir dank einer neuen Route zur Tagesziel-Hütte nicht überschreiten mussten. Diese Route beinhaltete allerdings auch eine ganze Menge Überraschungen. Wir mussten nicht nur durch jedes denkbare Gelände der Alpen gehen, sondern auch kurz vor der Hütte staunten wir nicht schlecht als eine 60 Meter Hängebrücke uns über eine Schlucht führte. Die Nacht verbrachten wir auf der Cabane des Conscrits (2730 Meter).
Am nächsten Morgen ging es früh um 3 Uhr aus den Federn und um 4 Uhr los auf Tour. Als erstes wurde die Aiguille de la Bérangère (3425 Meter) bestiegen, welche den Startpunkt für „The Royal Traverse“ darstellt. Dort erfuhren wir, dass es Summen in der Luft bei Gewitter wirklich gibt – also schnell weiter und nicht an den Blitzableiter-Pickel am Rucksack denken. Zum Glück besserte sich das Wetter recht schnell und wir konnten sicher weiter. Danach ging es weiter über einen Grat, welcher uns über die fünf Dômes de Miages führte. Die Dômes de Miage Gipfel erreichen Höhen zwischen 3633 bis 3673 Meter. Nach dem letzten Dôme erwartete uns eine eher unschöne Überraschung. Da weniger Schnee auf dem Grat lag als gedacht, mussten wir über 300 Höhenmeter durch mühsames Gelände abklettern. Dabei war nicht immer ersichtlich wo die Route herführte und manche Abseilstelle wurde vergebens gesucht. Durch diesen Umstand dauerte die Tour etwas länger als gedacht und wir erreichten nach knapp 8 Stunden die Refuge Durier (3356 Meter), auf der nur maximal 20 Personen Platz haben und die kleiner ist als manche Biwakhütte. Neben uns waren nur noch 2 Spanier, ein älteres, französisches Ehepaar und eine etwas verwirrte Hüttenwirtin in der Hütte. Hier entspannten wir den Nachmittag und genossen die Aussicht und Ruhe. Ein Highlight der Hütte ist auf jeden Fall die Toilette, da diese direkt über einem Abgrund gebaut wurde und nicht den stabilsten Eindruck macht, allerdings den wohl besten Blick eines stillen Örtchens hat. Nach einem ausgiebigen Abendessen ging es zügig ins Bett.
Der nächste Tag startete wie der vorhergegangene und es ging um 3 Uhr Nachts los. Die Nacht war sternenklar, allerdings vereinfachte es trotzdem nicht die Suche nach dem richtigen Weg und so waren wir und die Spanier sehr froh als das ältere Paar die Spitze übernahm und mit ihrer Erfahrung zielsicher den Weg aufwärts fand. Leider musste das Paar bald umdrehen, da sich der Gesundheitszustand des Mannes verschlechterte. Für uns ging es dann durch die ersten Schneefelder aufwärts. Bei Dunkelheit und im Schein der Stirnlampen quälten wir uns Schritt für Schritt aufwärts und erreichten doch recht zügig den Grat auf dem es zum Klettern in ca. 3700 Metern Höhe ging. Die Kletterstelle lag für drei Seillängen im oberen 3. Grad. Wir stiegen als erstes in die Wand und kletterten in schönem Fels die Seillängen nach oben, wobei Julian vorsteigen wollte und Marc und Nico nachstiegen. Als wir nach einiger Zeit am Ende der Kletterei ankamen, waren wir Froh die erste knifflige Stelle des Tages gemeistert zu haben. Von hier ging es noch knapp 100 Höhenmeter aufwärts, bevor wir auf dem ersten 4000er des Tages standen: der Aiguille de Bionnassay (4052 Meter). Wir waren 3 von 5 Bergsteigern die an diesem Tag den Gipfel über diese Route geschafft hatten. Den Gipfel hatten wir komplett für uns und somit genossen wir kurz die Aussicht um dann auf die zweite knifflige Stelle des Tages zu stoßen: der Bionnassay Grat. Dieser Grat gilt als einer der schmalsten und spitzesten Firngrate im Mont Blanc Gebiet. Auf beiden Seiten geht es so steil herunter, dass man sich bequem direkt auf den Grat setzen kann ohne die Beine weit spreizen zu müssen. Starker Wind wäre bei so einem Balance-Akt verhängnisvoll. Wir hatten allerdings bei guten Verhältnissen keine Probleme diesen zu meistern und gelangten rasch zum nächsten Anstieg um dann auf den Dôme du Goûter (4304 Meter) aufzusteigen. Hier bogen wir auf die Mont Blanc „Autobahn“ ab und unsere Einsamkeit der letzten zwei Tage war dahin. Wir mussten uns zu den anderen Bergtouristen gesellen. Da Marc der Tag schon viel Kraft gekostet hatte und die zunehmende Höhe den Rest erledigte, entschied er den Gipfel auszulassen und ab 4500 Metern den Abstieg anzutreten und auf der Refuge de Goûter (3817 Meter) zu warten. Nico und Julian kämpften sich bei bestem Wetter, allerdings starkem Wind bis auf den Gipfel des Mont Blanc und waren eine kurze Zeit alleine auf dem Dach der Alpen. Sie genossen die Aussicht, bevor es auf den ungeliebten Abstieg ging. Nachdem Marc auf der Hütte eingesammelt wurde und wir vor einem Helikopter in Deckung springen mussten, ging es wieder durch jede Menge Fels und loses Geröll abwärts zur Zahnradbahn. Ein weiteres Highlight war sicher noch die Überquerung des Grand Couloir, eine Steinschlagrinne erster Güte die wir nach einigen Anläufen dann auch passieren konnten. Um die letzte Bahn des Tages nicht zu verpassen mussten wir ordentlich Gas geben und waren sehr froh, als wir nach 2500 Metern Abstieg die Bahn erreichten. Wir staunten nicht schlecht, welche Massen an „Bergsteigern“ die letzte Bahn nahmen und so mussten wir die Stunde Fahrzeit in der Bahn leider stehen, was wir nach den wahnsinns tagen aber auch verschmerzen konnten. Nach 17 Stunden auf Tour waren wir endlich im Tal!
Einen bitteren Nachgeschmack hat bei uns der Massentourismus am höchsten Berg der Alpen hinterlassen. Schon im letzten Jahr hatten wir es mit einer Alternative zum Normalweg versucht, um möglichst wenig von den Bergsteigerfluten mit zu bekommen – dieses Jahr wählten wir bewusst den am wenigsten begangenen “Normalweg”, da die bloße Länge und Schwierigkeit der Tour die meisten Aspiranten abschreckt. Die Hüttenwartin der Durierhütte erzählte uns, dass sie keine 300 Gäste im Jahr hat, davon schaffen es wohl nicht einmal die Hälfte auf den Gipfel. Dies steht im krassen Gegensatz zu ca. 40.000(!) “Bergsteigern” pro Jahr, welche über die anderen Normalwegen auf den Mont Blanc einfallen.
Zum Glück haben wir nur auf den letzten Höhenmetern und im Abstieg diese Perversion miterleben müssen. Menschen, welche lieber im Tal bleiben sollten, werden von ihren Bergführern (alle! sind mit Bergführer unterwegs) auf den Berg gezogen und auf normalen Wanderwegen am Seil gesichert. Die neue Ufo-ähnliche Goûter-Hütte trägt ihren Teil dazu bei. Der Mont Blanc ist auf dem Normalweg zur Abknipstour geworden.
Obwohl wir natürlich sehr dankbar und stolz sind, auf dem höchsten Berg der Alpen gestanden zu haben, war für uns der Weg dahin sprichwörtlich das Ziel: Allein die kilometerlangen Überschreitungen der Dômes de Miages und der Aiguille de Bionnassay mit Kletterei in Fels und Eis, sowie die Übernachtung in der kleinen und persönlichen Biwakschachtel dazwischen war absolut so gigantisch, dass der verpasste Haupt-Gipfel für Marc egal war. Dies bekräftigt auch sein Zitat: „Danke für eine absolut geile und mega kranke Tour, das kann man so machen – muss man aber nicht!“